Monday, November 21, 2005

Troja:
Fantasie Impromptu

Prelude

Die hölzerne Schenkung ist noch weit weg von Troja; die Soldaten für die Bemannung sind allerdings schon ausgewählt; sie sitzen plaudernd auf den Stufen des Amphitheaters, rings um das fremde Objekt, das auf der Bühne steht. Endlich taucht Achilles auf, zwingt sich, träge, durch die Menge. „Musik...“ flüstert er, „... ... .... jetzt“. Ein Hoplit, die Schnallen seines Schienbeinschutzes nach einem harten Tag lockernd, überhört und fragt etwas verwirrt: „ja, was für welche?“ - aber schon kommen die ersten süssen Töne, eine angenehme Verdauungsruhe kehrt ein und die ersten, etwas gebildeteren Soldaten wispern begeistert, beinahe verehrend : ...Chopin!

Alle Augen sind nun auf das Werk gerichtet, das den Ruhm unserer Stadt in die weite Welt hinein tragen soll. Die Soldaten verstehen noch nicht ganz ihre Rolle, sie ahnen aber die Signifikanz des Ganzen. Bald taucht der Vater des Einfalls, Odysseus auf - lehnt sich über das Geländer, sein beleuchtetes Werk betrachtend. Plötzlich, mit einer mächtigen Bewegung, als würde er sein Werk am liebsten schon sofort, auch ohne Soldaten bestückt, nach Troja schicken, fängt er an, zu Reden.

Bald wendet sich ein Soldat an seinen Nachbarn und meint: genau! Auch wir müssen nachdenken, wenn wir Ideen haben wollen... denn alle Ideen ... brauchen einen Vater!!

Allegro Pomposo

So ist es aber. Falls die Stadt geboren werden soll, braucht sie zuallererst einen Vater, der bereit ist, die grosse Aufgabe auf sich zu nehmen, sie zu zeugen, obwohl manche bekanntlich auch Spass daran haben können. Am Schreibtisch blitzt und donnert es Linien: sie Schneiden sich, manchmal in spitzen Winkeln, Spiegelungen und Kreuzungen (die Biologen sagen dem: „crossing over“) erzeugen die absurdesten Eigenschaften, manchmal Winkel von 16.3 Grad – vielleicht sogar Linien, die an sich am Schreibtisch, auf dem Papier gar nicht möglich sind. All diese Prozesse sieht man aber nicht, das heisst, es herrscht eine Art Konsens, dass man sie nicht sehen muss. Trotzdem ist am Ende das Kind da, wirkt so stark beleuchtet ein bisschen bleich, aber erstaunlich real.

Sogar noch über die Zeugung darf jetzt, im nachhinein geredet werden. Dass der Schreibtisch - der Ort der Zeugung - eine wesentliche Rolle spielt und in diesem Fall sogar noch inspirierend auf das Werk gewirkt hat, beteuert nicht nur der Architekt. Sogar noch die Laien können es diesmal einfach nachvollziehen – sind doch beide vorwiegend aus Holz gebaut!
Dass (Sie verzeihen) der Verkehr grundsätzlich nur auf die Oberfläche eines Tisches (und ev. unter dem Tisch), will heissen, dass bei einem Schreibtisch nur sozusagen oberflächlich verkehrt werden kann, stört anscheinend nur wenige, die nun losgeschickt werden, etwas zu basteln….

Andante

Zum Beispiel Peter. Peter ist geniert, weil man sich mit den meisten Menschen nur auf der Oberfläche verkehren kann. Er ist frustriert, dass er das Objekt nicht penetrieren darf. Die Idee der Oberfläche stört Ihn. Er wolle mit Menschen die Oberfläche verlassen und tiefer gehen. Am liebsten würde er das Objekt deswegen auseinanderfalten und – behaupten böse Zungen - vielleicht selbst in die Mitte steigen.

Gigue

Ein Künstler macht die Runde und stiftet dazu an, das Werk zu verpacken, zu verstecken. Darauf hat der Dominik die Idee, das ganze Kunstwerk in einen St. Galler Sack zu stecken. Er erfindet sogar noch eine Geschichte dazu, vielleicht wird der Sack anschliessend durch eine Reihe verwirrender Umstände von der SGSW tatsächlich entsorgt, worauf der Sack, durch noch mehr Verwirrung, in die Hände der CIA gelangt, die den spitzen, in der grauen Kaputze gekleideten Gegenstand in einer Weise verhören, die stark an die in den Medien verbreiteten Bilder eines anderen Verhörs, wo ebenfalls ein spitzer, in einem Sack gekleideten Gegenstand mit Hilfe von Elektrizitätsandrohung gequält wurde, erinnern....

Marsch der Soldaten & Non sequitur

Nina findet es öde, dass heutzutage immer die Einwohner die Stadt retten müssen – falls wir es neu machen können, sollte es doch gefälligst umgekehrt verlaufen. Nur bitte wie denn? Bekanntlich können alternative Konzepte ganz schnell übel (z.B. nach Faschismus) riechen, vor allem wenn solche erkrankte Ideen prophylaktisch und konsequent von einem Experten zu Ende gerochen werden!

Aber glücklicherweise besteht diese Gefahr weniger, wenn man das Gegenmittel oft und überzeugt genug einsetzt, die Demokratie. Zum Beispiel als Antwort auf eine kritische Studentenfrage, gegeben vom obersten Stadtvater, Odysseus selbst:

„Well, it’s a Democracy – you can think what you want“

(Tobi ist erleichtert, denn sogar noch in seiner - noch keineswegs utopische - Utopie darf man doch das denken, was man will. „Anscheinend haben wir das mit der Demokratie schon gelöst“ meint er und lacht verlegen).


Intermezzo: Siegeszug der Demokratie

"Demokratie ist eben wichtig, da haben doch Odysseus, Achilles und die anderen recht..."
"Du sagst es, Demokratie ist wichtig."
"Ja genau."
"Und du, was denkst du?"
"Ja, ist wichtig."
"Mhh..hmm."
"jaja."
"mmmm."
"also schreibs bitte auf: D e m o k r a t i e."
"ok."
"also das hätten wir dann..."

"...und jetzt?"


Presto & ein Hoffnungsschimmer [Nach dem Künstler besuchen auch andere Reisenden die Stadt.]

Reisende haben mehr zu sagen, als die, die Sesshaft geworden sind; schliesslich ist dieses Glück ein Zustand der Stasis, eine Zufriedenheit, die beinahe an Dummheit erinnert. Positionswechsel (z.B. mit dem Flugzeug, ab New York oder Hong Kong) meint unerfüllte Suche, Sehnsucht; gewaltige, freiwerdende Energieströme. Reisende kommen, werfen ihr Gepäck auf dem Tisch, vielleicht haben sie nicht einmal Zeit, die Jacke auszuziehen, denn sie müssen gleich weiter; sie betrachten und fällen Urteil über das Werk der Stadtbewohner, die diese etwas beschämt, wie eine arme Familie ein bescheidenes Essen, präsentieren. Ausser Atem wird dann der Ankömmling angehört. Das Werk ist zu eklektisch, meint er, und denkt schon womöglich an seine abstrakte Lieblingsstatue, vielleicht inspiriert von den hohen Wolkenkratzer von Schanghai oder New York.
Nach dem auspacken packt er wieder ein und zieht weiter.

Anna meint dazu, dass sie unsere Stadt trotzdem gut findet.

Finale: General Dance of Enthusiasm, Apotheosis

Die Sonne steigt langsam über Troja empor; die Soldaten, in das Werk endlich eingebracht, sind müde und sehnen sich schon nach dem versprochenen Abendessen. Der Staub der vorangegangenen Vorbereitungen liegt noch in der Morgenluft. Plötzlich taucht Odysseus auf, gefolgt von Achilles dicht auf seinen Versen.

Odysseus: Endlich, endlich vollbracht. Es muss los, enough von diesem Gefangensein, auf nach Troja!

Achilles: Fantastisch, Meister. Gut gemacht.

Diverse Könige: [nicken]

Div. Könige: [nicken noch einmal]

Odysseus: Es ist wichtig, die mutigen Soldaten zu würdigen, die soviel von sich selbst reingesteckt haben.

Soldaten [von Innen]: So ziemlich alles.

Odysseus: Aber sie müssen dann wieder raus und in die Welt hinein! Troja erobern und dann die Welt!

Div. Könige: [nicken]

Achilles: Definitely. [Zu den Soldaten]: Habt ihr gehört, Morgen schon müsst ihr da raus und bitte nichts da drin lassen, alle Gegenstände mitnehmen; bitte nichts an den Wänden anbringen was man nicht leicht weg bringen kann! Zeus ist euch dankbar!

Soldaten: ja-aa.

Odysseus: Ihr habt grossartiges geschafft. [pause]

Odysseus: Und, nun ist es Zeit - bewegt mein Stück! Ja, ja!

Das bunte Pferd steht vor den Toren Trojas. Paris, der schläfrige Prinz, betrachtet, im grünen Burberry-Morgenrock, etwas pikiert das grosse Werk.

Paris: Oh-la-la, mais qu’est-ce que c’est? Malheureusement, ich hatte keine klassische Bildung mehr… Etwas ein bischssen zu bunt gemischt… Jetzt höre ich sogar noch Stimmen- ich meine von da drinnen – soll ich das Ding reinlassen? Ich weiss nicht. Die unsere ist doch eine traditionelle Stadt, wo bis jetzt alle dekonstruktivistischen Experimente schief gelaufen sind. Mag schön sein, aber passt nicht zu mir, passt nicht zu meinem Jakett... Ce n’est pas Paris... Alors, je ne pense pas...
Mais - ich kriege einen Anfruf aus Hong Kong. Hallo?

Hong Kong: Wir haben Informationen, dass eine farbenfrohe, sinnlich überladene Installation vor Ihren Toren steht. Also, wir sind bereit das Ganze zu nehmen und als Suburbia neben unsere Stadt zu integrieren.

Paris: Ah, köstlich! Ich verkauf’s Ihnen!

Soldaten: Hört Ihr? Das sind gute Nachrichten! Schliesslich wurde Hong Kong schon demokratisiert, das heisst das wir nicht Kämpfen müssen! Sie empfangen uns, unsere Stadt, unsere Ideen mit offenen Armen!

Ein Soldat: Aber was ist mit Troja? Eingentlich wollten wir Troja erobern!

Soldaten: Scheiss auf Troja --- see, you’re still thinking old Europe! --- Wir nicht! Wir fliegen nach Hong Kong [Soldaten singen Hong-Kong-Song]

Die Stimme von Achilles [per Telefon, weil schon im Flugzeug, unterwegs nach Moskau]: Saubere Arbeit Jungs!

Soldaten: Danke, Achilles!

Achilles: Nee, sorry, was ich sagen wollte, ist: arbeitet sauber! Wie besprochen will ich alle angebrachten Kunterbuntereien bis morgen weg haben!

Soldaten: Aber wie sollen wir uns dann in Hong Kong integrieren?

Achilles: Ihr habt wohl nichts gelernt! Solche Äusserlichkeiten sind in einer Demokratie unwichtig! Wichtig ist, dass Ihr viel gelernt habt! Integrate that!

Soldaten: Schon.

Ein König [nickend]: Dann darf auch Odysseus in Ruhe nach Ithaka zurückkehren!

Die Stimme von Odysseus [auch aus einem Flugzeug].: Kreativität, Kinder. Spreizt die Flügel und fliegt, wie ich gerade tue. Verbindet Städte, Punkte, Symbole, Konnotationen. Verknüpft sie. Bündelt sie. Denkt an den Schreibtisch, multipliziert ihn. Und dann denkt einfach weiter... What I really want to say is: spread your wings and just fly, baby!

Soldaten: Es lebe Odysseus!

[Vorhang]